Nach einem „Gastspiel“ in Mecklenburg-Vorpommern 2017 geht das „Schülerlabor Geisteswissenschaften“ in diesem Jahr erneut auf Reisen: Der erste Teil der Herbststaffel 2023 findet in Hamburg, im Heine-Haus in Ottensen, statt und adressiert Hamburger Schulen, der zweite Teil wie stets in Berlin, im Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt,und für Berliner Lerngruppen. Auf dem Programm steht: “Verfasser unbekannt”? Heinrich Heine im Deutschunterricht
„Verfasser unbekannt“: Die Verwendung der berüchtigten Formel zur Anonymisierung des Urhebers der „Loreley“ in Anthologien aus der Zeit des Nationalsozialismus konnten neuere Forschungen zwar nicht belegen. Unbestritten ist jedoch, dass die Geschichte Heines als Schulautor auch nach dem Zweiten Weltkrieg reich an Wendungen und Widersprüchen war – und dies bis heute ist. Das Projekt versieht die Formel daher mit einem Fragezeichen und leitet daraus ein Erkenntnisinteresse ab: Untersucht werden soll, ob und, wenn ja, warum Heine im Deutschunterricht noch oder wieder ein Unbekannter ist. Die Rahmenlehrpläne und Abiturschwerpunkte beider Bundesländer, in denen er seit Jahren kaum vertreten ist, legen diese Vermutung jedenfalls nahe.
Zu erkunden, was Heine heutigen Schülerinnen und Schülern zu sagen haben könnte, ist demnach ein zentrales Anliegen. Darüber hinaus verfolgt das Projekt wie jede Veranstaltungsreihe des „Schülerlabors Geisteswissenschaften“ ein wissenschaftsmethodisches bzw. metawissenschaftliches Ziel: Die Schülerinnen und Schüler sollen exemplarisch einen Einblick in Praktiken literarischer Kanonisierung gewinnen, deren wesentlicher Bestandteil schulische Curricula sind. Aus diesem Grund steht die gemeinsame Sichtung und Analyse von Deutsch-Lehrplänen, Unterrichtsmedien und Handreichungen auf dem Programm. Auf diese Weise treten die sonst als „Zielgruppe“ didaktischer Interventionen wahrgenommenen Jugendlichen als Subjekte von Bildung in den Blick.
Da das geisteswissenschaftliche Schülerlabor in Hamburg noch weitgehend unbekannt ist, wird die Reihe eröffnet durch eine Fachtagung für Lehrkräfte des Faches Deutsch an Hamburger Schulen, die das Format als außerschulischen Lernort vorstellt und Vorschläge macht, wie Heine unter den aktuellen Prüfungsbedingungen Eingang in den Deutschunterricht der Sekundarstufe II finden kann.